POPFEST 2011 - Das Programm

Der Timetable aller Tage und Bühnen im Überblick + Robert Rotifers Bemerkungen zum Programm

Bensh

Bo Candy & his Broken Hearts

Coshiva

Crazy Bitch in a Cave

Mäuse

Dust Covered Carpet

Filou

Francis International Airport

GUSTAV

Ja, Panik

Kamp

Kayo

Luise Pop

M185

MA21

Marilies Jagsch Solo

Meaghan Burke

Ping Ping

Sex Jams

Skero

Sweet Sweet Moon

The Happy Kids

Violetta Parisini

I-Wolf - aka Wolfgang Schlögl

Beat Beat

Black Shampoo

Broken.Heart.Collector

Cardiochaos

Ginga

Mika Vember

Trouble Over Tokyo

Donnerstag, 5. Mai

Freitag, 6. Mai

Samstag, 7. Mai

Sonntag, 8. Mai




POPFEST 2011 – BEMERKUNGEN ZUM PROGRAMM

von Robert Rotifer, 14. April 2011


Ich hatte letztes Jahr den Mund ziemlich voll genommen, als es

darum ging, das erste Wiener Popfest anzupreisen. Ich hatte behauptet,

es gäbe derart viele interessante Bands oder sonstwie Musikmachende

in dieser Stadt, dass man nächste Woche gleich noch ein Popfest der gleichen

Qualität veranstalten könnte, ohne einen einzigen Programmpunkt zu wiederholen.

Beim Zusammenstellen dieser zweiten Auflage wollte ich mich selbst

beim Wort nehmen. Nicht mit dogmatischer Strenge – ein paar Leute

tauchen heuer in anderen musikalischen Rollen oder auf anderen

Bühnen wieder auf – aber sehr wohl im Bewusstsein, dass in jeder

Wiederholung die Gefahr der Institutionalisierung lauert.

Auch dieses Jahr will das Popfest nicht etwa eine Auslese der

„besten“ oder populärsten Popmusik der Stadt darstellen, sondern

eine Sammlung vertonter Visionen davon, wie eine solche in einer

besseren Welt klingen könnte. Eine Utopie also – entsprechend dem

Geist aller gelungenen Popmusik.


Im Konzept der Programmierung hat sich seit letztem Jahr einiges

geändert: Ich musste mich bald damit abfinden, dass sich die letztes

Jahr so erfolgreiche Idee der Label-Showcases heuer nicht mehr

durchziehen lässt, ohne dadurch den Blickwinkel einzuengen. Zu

viele Bands haben auf das Schrumpfen des Tonträgermarkts reagiert,

indem sie ihre Songs entweder überhaupt nur mehr online

oder als hausgemachtes Vinyl selbsttätig veröffentlichen – der logische

nächste Schritt nach der Flucht vor den Majors: vom Minilabel

zum Eigenverlag unter Verwendung kollektiver Promotions-strukturen.

Der auf der Hand liegende alternative Ansatz zur Gestaltung der

Spätschienen waren musikalisch bzw. ästhetisch definierte Themen,

zwar locker genug definiert, um innerhalb der vier Tage Popfest keine

Spaltung in isolierte Kleingemeinden zu betrei-ben, aber doch auch

schlüssig genug, um ein paar auffällige rote Fäden im anhal-tenden

Wuchern der Wiener Popmusik aufzugreifen.


Kurzer Einwurf von wegen „Wiener Popmusik“: Schon das erste Popfest

schaute den MusikerInnen nicht auf den Meldezettel. Beim

zweiten sind noch mehr KünstlerInnen aus anderen (Bundes)Ländern

mit dabei, manche von ihnen leben in Wien, andere halten sich nur

gelegentlich da auf. Alle spielen mit ihrer Musik in Wien eine über

Tournee-Termine hinausgehende Rolle.


Um aber auf die roten Fäden zurückzukommen: Was Gustav und

Skero am Eröffnungsabend eint, ist neben ihrer absoluten künstlerischen

Selbstbestimmtheit vermutlich auch die erhöhte Wichtigkeit

des Worts in ihrem Werk. Das darauf folgende Nachtprogramm im

brut dagegen handelt von Glamour und/oder Verfremdung und dem

Schnittpunkt zwischen Pop- und Kunstszene (broken.heart.collector,

Crazy Bitch In A Cave, Cherry Sunkist). Zeitgleich gibt es im Wien

Museum Platz für die an den anderen Locations schwerer vermittelbare

akustische Variante (Mika Vember auf dem Balkon, und dann

im Museum Meaghan Burke, Dust Covered Carpet, Marilies Jagsch).

Die bunteste Mischung bietet der Seebühnen-Freitag (Trouble Over

Tokyo, Violetta Parisini featuring Coshiva, Café Olga Sanchez), die

Partynacht gehört dagegen diesmal dem Hip Hop - abgesehen vom

Übergang in die Nacht via Bo Candy & His Broken Hearts, deren

Bandleader Thomas Pronai völlig zurecht vermerkt: „Immerhin haben

wir mit den Hip Hoppern gemeinsam, dass wir auf die gleiche

schwarze Musik zurückgreifen“. Nun steht der Hip Hop ja für eine

Kultur, in der ohne gründlich erworbene Credibility nichts zu holen ist –

daher auch unsere Einladung an den diesbezüglich bestens geeigneten

Skero, ein Line-Up mit seinen persönlichen Favoriten für die

Freitag-Nachtschiene aufzustellen (Kayo, Kamp, MA21).


Der Samstag widmet sich dagegen fast gänzlich der unübersehbaren

Blüte ordentlich guter Gitarrenbands (vertreten durch Ja, Panik,

Black Shampoo, Francis Inter-national Airport), inklusive eines kleinen

Garage-Punk/Noise Pop-Schwerpunkts in der Spätschiene (Beat Beat,

Happy Kids, Sex Jams; Ausnahme, aber auch schön laut: Die

Mäuse).


Am Sonntag regt sich die Seebühne schon um 14 Uhr mit einem im

wörtlichen Sinne einmaligen Konzert („Legenden Brunch“), das in

der schieren Unwahrscheinlichkeit seines Zustandekommens sozusagen

die ultimative Utopie der Parallelweltentheorie, nämlich deren

Zusammenführung erfüllt. Einfacher ausgedrückt: Sigi Maron auf

einer Bühne mit Maria Bill auf einer Bühne mit dem Nino aus Wien

auf einer Bühne mit Peter Henisch auf einer Bühne mit Robert Räudig

auf einer Bühne Willi Resetarits auf einer auf einer Bühne mit Ernst

Molden. Zugegeben, letzteres soll zumindest schon vorgekommen

sein. Genauso wie ein Popfest-Auftritt von Tanz Baby!, letztes Jahr auf

der Seebühne, heuer dagegen aber als Popfest-Beitrag zum Muttertag

im an diesem Tage bei freiem Eintritt zugänglichen Wien Museum.

Wer sich an das letztes Jahr von Theyshootmusic im Wien

Museum aufgenommene Video erinnert, wird verstehen, dass Tanz

Baby! innen eine ganz andere Magie verspricht als Tanz Baby! außen.


Die Seebühne antwortet mit nie weniger als atmosphärischen, oft

schlicht ergreifenden Songs des Son of the Velvet Rat, gefolgt von

den Popfest-Talismanen Ginga, die letztes Jahre als unbekannte

Größe auf die Bühne des Prechtlsaal stiegen und eine knappe Stunde

später als die große Entdeckung wieder abgingen. Allen Ambitionen

zur Vermeidung von Wiederholungen zum Trotz, steht es einfach

an, Ginga vor jenem Publikum zu sehen, das sie sich seither erspielt

haben. Danach wird die letzte wohl die eklektischste aller Spätschienen

sein, von Luise Pop über Ping Ping bis hin zum letzten Vorhang in

Gestalt Wolfgang Schlögls Theatermusik.


Natürlich besteht das Popfest aber nicht nur aus den Gigs in der

Nacht: Die Freitag und Samstag am späten Vormittag beginnenden

Panel-Diskussionen und Workshops in der Kunsthalle bieten heuer

einigen politischen und kritischen Kontext zur Musik – versetzt mit

Kurzauftritten von vier der spannendsten Acts im Popfest-Programm,

von Filou und M185 über Bensh bis zu Cardiochaos. Den historischen

Hintergrund beleuchten wiederum am Samstag im Wien Museum Al

Bird Sputniks Trash Rock Archives, samt dem Auftritt von Sweet Sweet

Moon als gänzlich unhistorisches Zwischenspiel und Wolfgang Kos'

Gespräch mit Sigi Maron, der dabei als Vorschau auf den sonntäglichen

Legendenbrunch auch noch ein paar Solosongs darbieten

wird.


Ein Wort noch zum innerstädtischen Popfest-Austragungsort Karlsplatz

und seinen Schauplätzen: Die Zahl der Locations rund um den

Karlsplatz hat sich seit letztem Jahr um einen Standort vermehrt: Zur

rasch etablierten Open-Air „Seebühne“, dem Campus der TU mit

ihrem Innenhof und dem Prechtlsaal, dem Wien Museum und dem

Kunsthallen-project space kommt heuer neu das brut im Künstlerhaus

dazu. Dort wird donnerstags der elektrische Teil der Eröffnungsnacht

abgehalten, sowie freitags und samstags ein weiterer Popfest-

Hafen für alle über den Karlsplatz Treibenden eingerichtet sein.

So viel zum eigentlich Interessanten. Aus technischer Sicht sei angemerkt,

dass jetzt, wo wir über das erfreuliche und enorme Publikumsinteresse

am Popfest wissen, die „Seebühne“ höher und überdacht

und die Beschallung passender dimensioniert sein wird als letztes

Jahr. Auch der Verköstigungen wird es mehr geben, allerdings nicht

so viel mehr, dass das Popfest zu einem weiteren berieselten Freiluftgastronomie-

schauplatz mutiert. Im Mittelpunkt steht weiterhin die Musik.

Bleibt nach Monaten des Feilens am Line-Up bloß noch die nüchterne

Feststellung, dass es auch nach knapp 40 hervorragenden Acts

bei der Popfest-Premiere im letzen Jahr und der annähernd gleichen

Menge in diesem Jahr immer noch genug gute Musik in dieser Stadt

gibt, um jederzeit ein nächstes Popfest in der gleichen Qualität zu

veranstalten...